Ein Drittel des Endenergieverbrauches sollen 2020 in Mittelhessen mit regenerativen Energien erzeugt werden. Nach Meinung von Experten, die auf Einladung der grünen Fraktion in der Regionalversammlung zusammenkamen, ist dieses Ziel mit den im Entwurf des Regionalplans vorhandenen Windvorrangflächen nicht erreichbar. „Für uns bestätigt sich damit der grundlegende Überarbeitsbedarf des Regionalplanentwurfs, der derzeit weniger Windvorrangflächen vorsieht als der bestehende Plan von 2001 und nach der zweiten Offenlage beraten werden muss“, so der Vorsitzende der grünen Fraktion in der Regionalversammlung Dr. Karsten McGovern.
Die Notwendigkeit einer Dreifachstrategie im Klimaschutz, die aus Energieeinsparung, Energieeffizienz und dem Einsatz regenerativer Energien besteht, sieht der Energieexperte Michael Meinel aus Lahntal, der zugleich darauf verwies, dass im Mix der regenerativen Energien die Windkraft derzeit das größte Potential bei geringsten Flächenbedarf aufweist.
Das Mittelhessen ein erhebliches Windpotential bietet, bestätigte Martin Lüer vom Windkraftinvestor Juwi. Dieses könne aber durch die bisherige Regionalplanung nicht nutzbar gemacht werden. Notwendig sei eine Positivplanung, die zunächst die windhöffigsten Standorte ermittelt und dann abwägt, ob diese aus Gründen des Natur- oder Landschaftsschutzes ausgeschlossen werden müssen.
Ein Plädoyer für die Stärkung regenerativer Energien hielt der Vorsitzende des Kreisbauernverbandes von Marburg-Biedenkopf Erwin Koch. Dies würde für die Landwirtschaft auch wirtschaftlich von großer Bedeutung sein. Die Windkraft sei für die Landwirte dabei durchaus interessant, allerdings spiele die Biomasse eine wesentlich größere Rolle, da nicht jeder eine Windrad habe könne.
Der Wetzlarer Rechtsanwalt und Planungsrechtsexperte Hans Karpenstein hegte Zweifel, ob der bestehende Planentwurf Bestand haben kann. Standorte für Windenergie in Schutzgebieten auszuschließen, deren Schutzzweck durch die Windkraft überhaupt nicht tangiert werde, sei nicht haltbar. Außerdem müsse im Plan der Stand der Technik nachvollzogen werden. Die angenommene Nabenhöhe von 50 m sei längst überholt und liege eher bei 120 m, wodurch deutlich mehr Standorte in Frage kämen.
Der Energie- und Raumplanungsexperte des BUND Martin Krauß verwies ebenfalls auf die Notwendigkeit einer Stärkung der Windkraft und die Berücksichtigung des Stands der Technik bei der Regionalplanung. Der BUND sehe sich als Verband sowohl dem Klima- als auch dem Natur- und Artenschutz verpflichtet. Die derzeitige Regionalplanung würde allerdings den konfliktfreien Ausbau der Windkraft nicht zulassen und könne daher keinen wesentlichen Beitrag zur Erreichung des selbst gesteckten Klimaschutzziels liefern.
Rund vierzig Interessierte aus Politik, Verwaltung, Naturschutz und Wirtschaft verfolgten auch die an die Vorträge sich anschließende Debatte, die sowohl die Notwendigkeit eines Ausgleichs von Natur- und Artenschutz betonte als auch auf die deutlich überschätzten Möglichkeiten des sog. Repowerings (Ersetzung bestehender Anlagen) einging. Nach Überzeugung der grünen Vertreter in der Regionalversammlung, gibt es erheblichen Erörterungsbedarf, darüber, wie die gefundenen Mängel im Entwurf des Regionalplans behoben werden können. Gleichzeitig sei es wichtig, die Bevölkerung mitzunehmen und ihnen die Chancen des Ausbau der Erneuerbaren Energien zu vermitteln, merkte Gerda Weigel-Greilich, Bürgermeisterin von Gießen an.
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