Lahntal entscheidet über Rekommunalisierung des Stromnetzes

Die Gemeindevertretung von Lahntal entscheidet heute im DGH Caldern über den ersten Schritt zur Rekommunalisierung des Lahntaler Stromnetzes. Am gestrigen Montagabend hatte der Haupt- und Finanzausschuss der Lahntaler Gemeindevertretung gegen die Stimme des CDU-Vertreters und bei zwei Enthaltungen der Vorlage des Gemeindevorstands zugestimmt. Die Konzession soll danach nicht mehr dem bisherigen Netzbetreiber E-ON gegeben werden, sondern, soweit am Ende der Verhandlung über den Wert des Netzes eine wirtschaftlich tragfähiger Rückkauf möglich erscheint, das Stromnetz soll künftig durch eine kommunale Netzgesellschaft betrieben werden.

Langer Weg zur Entscheidung

Die Gemeindevertretung von Lahntal stimmt am Dienstagabend ab 20 Uhr im Dorfgemeinschaftshaus Caldern nach einer 1 ½ jährigen Entscheidungsfindung über die Vergabe der Stromkonzession ab. Dieser lange Prozess war bis April diesen Jahres  einvernehmlich beschritten worden. Zwei Entscheidungen in 2009 legten die Richtung fest: die Gründung einer interkommunalen Stromnetzgesellschaft vorrangig in Zusammenarbeit mit den Stadtwerken Marburg. Erst im April, nachdem E-ON speziell die CDU-Kommunalpolitiker zu einer Informationsveranstaltung in die Dammmühle geladen hatte, wurde das gemeinsame Ziel von deren Fraktionsmigliedern in Frage gestellt. Ein neuer Vertreter wurde in die Stromnetz-Kommission geschickt. Dieser drängte darauf, dass auch E-ON noch einmal ein nachbessertes Angebot vorstellen soll, dass auch ein 51%iges Eigentum am Stromnetz enthielt.

Ungleiche Angebote

Dies entsprach damit zwar nicht den bisherigen Beschlüssen der Gemeindevertretung, sollte aber dennoch wie ein gleichwertiges Angebot mit dem der Stadtwerke verglichen werden. Das Angebot zu einem 51%igen Eigentum am Stromnetz der E-ON wurde schließlich in der letzten Woche bei der Vorstellung des abschließenden Angebots wieder zurückgezogen und stattdessen der Einstieg in die E-ON-AG und die Verlagerung der Niederlassung von Gisselberg nach Lahntal mit entsprechenden Gewerbesteuereinnahmen zugesichert. Lahntaler Kommunalpolitiker konnten daraufhin sich einiges an Kommentaren aus den Nachbarkommunen anhören, die von Belustigung, über Neid bis Unmut alle Emotionen enthielten: Finte! E-ON hat Euch dann in der Hand! Wollt Ihr Euch kaufen lassen?

Große öffentliche Aufmerksamkeit

Trotz eines erheblichen Drucks auf die Entscheidungsträger von Lahntal, trotz der außerordentlich großen öffentlichen Aufmerksamkeit und der Beobachtung durch die Vertreter der Nachbarkommunen, die abwarten, wie sich Lahntal entscheiden wird, hat sich die überwiegende Mehrheit der Mitglieder der Stromnetzkommission nicht auf Ihrem Weg beirren lassen. Ein Fragenkatalog wurde aus zwei verschiedenen Vorlagen ergänzt und präzisiert in ein Dutzend Punkten ausgearbeitet. Die Antworten der beiden Bewerber wurden gegenübergestellt und den Mitgliedern des Gemeindevorstandes und den Fraktionen zur Bewertung übergeben.

Erster Schritt zum Netzrückkauf

Der mit etwa 40 Beobachtern gut besuchte Haupt- & Finanzausschuss hat nun am Montag Abend empfohlen den ersten Schritt zur Rekommunalisierung des Lahntaler Stromnetzes zu machen. Zuvor hatte der Ausschuss einen Änderungsantrag der CDU mit 4:1 Stimmen abgelehnt, der unter anderem die Vergabe der Konzession an Eon unter der Voraussetzung einer Garantie für die angebotene Gewerbeansiedlung und Verhandlungen über ein Beteiligungsmodell mit Eon vorsah. Die Stadtwerke Marburg sollen beauftragt werden, mit dem bisherigen Betreiber E-ON über den Kauf des Stromnetzes zu verhandeln. Ergänzend heißt es nun in der Beschlussvorlage des Gemeindevorstandes: “Allerdings ist vorgesehen, das Netz für die Gemeinde Lahntal selbst zu erwerben.” Wenn dieser Weg erfolgreich begangen wird, folgt die Gemeinde Lahntal der Empfehlung des DStGB, „die Chance zu nutzen in Netzbetrieb und Versorgung“ im Sinne der Daseinsvorsorge „einzusteigen“. „Zahlreiche Praxisbeispiele belegen erfolgreiche Netzübernahmen“, schreibt der DStGB in der Pressemitteilung zur Vorstellung des aktuellen Leitfadens zur Stromnetzkonzession. Stadtwerke in kommunaler Hand sind für den DStGB Partner für „regionales Wirtschaftswachstum, Nachhaltigkeit und Klimaschutz“.

Erstveröffentlichung unter Lahntalk, 2010

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