Fiasko Kreisseniorenrat

Dringend muss in die Kreisverwaltung wieder Solidität und Sachverstand einziehen. Nach 12 Jahren erfolgreicher Arbeit mit grüner Beteiligung für die Bürger des Kreises einschließlich gelungener Konsolidierung der Finanzen verschleudert die große Koalition aus SPD und CDU das durch die Kommunen des Kreises Erwirtschaftete, erhöht über die Maßen die Stellenzahl und steckt viel Geld in Konzepte, Öffentlichkeitsarbeit und Scheinbeteiligungen von Bürgern.

Die Einrichtung eines Kreisseniorenrates ist hierfür ein gutes Beispiel. Es gab und gibt schon einen Kreisseniorenrat, der die Interessen älterer Bürger im Kreis vertritt. Dieser ist Mitglied in der Landesseniorenvertretung Hessen e.V. Eine solche Institution ist eine gute Sache für alle Bevölkerungsgruppen, die ihre Interesse in den bestehenden Gremien nicht ausreichend repräsentiert sehen.

Dies ist bei Kinder und Jugendlichen naturgemäß der Fall, da diese noch nicht in Parlamente gewählt werden können und auch bei Menschen, die bei uns leben, aber keinen deutschen Pass haben. Auch gilt dies oftmals für Behinderte. Insofern ist es gut , wenn diese über einen Beirat ein Mitsprache ggf. gar ein Antragsrecht bekommen.

Doch warum eine der stärksten Bevölkerungsgruppen, die in den Parlamenten eher überrepräsentiert ist und dazu schon einen Beirat als Interessenvertretung hat, diesen durch ein Seniorenparlament ersetzt bekommen soll, erschließt sich angesichts dessen nicht. Der Landkreis muss zudem dafür ein eigenes Wählerverzeichnis führen und ist dazu u.a. auf die Mithilfe der Kommunen angewiesen.

Mangelhafte Wahlordnung

Die zu der Einrichtung dieses weiteren Parlamentes im Juli von der Mehrheit der großen Koalition gegen den Widerstand der Opposition im Kreistag gefassten Beschlüsse waren völlig unzureichend. Es waren nicht alle Kosten im Antrag beziffert, die Wahlordnung enthielt erhebliche Mängel und war insgesamt höchst undemokratisch. So gilt der Verfassungsgrundsatz der Öffentlichkeit durch Einsehbarkeit der Wählerverzeichnisse bei jeder Personalratswahl und jeder Kommunalwahl inkl. der Wahl eines Ausländerbeirats, aber für unsere GroKo nicht bei der Wahl eines Seniorenrates.

Bei einer zu erwarteten geringen passiven und voraussichtlich auch aktiven Wahlbeteiligung dürfte zudem kaum eine Aufwertung des Kreisseniorenrates durch diese aufwändige und kostenträchtige parlamentarische Form zu erwarten sein.

Nun ist die Bestätigung einiger der Befürchtungen auch in der kreiseigenen Zeitung nachzulesen: Es gibt lediglich 35 Bewerber für 25 Plätze. Eine echte Wahl haben aber nur die Bürger über 63 aus Breidenbach, Kirchhain, Marburg, Stadtallendorf, Weimar und Wetter. Denn nur dort gibt es mehr Bewerber als Sitze im Seniorenrat.

Zu wenig Kandidaten

Weder aus Steffenberg, noch aus dem Ebsdorfergrund und aus Neustadt gibt es Kandidaten. Nach der zweifelhaften Wahlordnung bleiben dort die Senioren bei der Wahl außen vor. Nur je einen Bewerber gibt es in Angelburg, Bad Endbach, Biedenkopf, Fronhausen, Gladenbach, Lahntal, Münchhausen, Rauschenberg und Wohratal. In anderen Kommunen, wie in Dautphetal dürfen beide Kandidaten auch in den Kreisseniorenrat, wenn diese nicht mehr Nein- als Ja-Stimmen bekommen.

In der kreiseigenen Zeitung, die vor Weihnachten jeder Haushalt erhalten hat, werden alle Kandidaten vorgestellt, bis auf eine: Es fehlt die Biedenkopferin Brigitta Leppers. Wenn hier die üblichen demokratischen Spielregeln wie die Chancengleichheit eingehalten werden, müsste wohl noch einmal jeder Haushalt eine korrigierte Zeitung erhalten, zumindest die mit Bürgern über 63 Jahren. Doch in Biedenkopf gibt es ja keine echte Wahl, also kann sich der Kreis zumindest die Kosten sparen, wenn nicht gleich diese ganze Scheinbeteiligung von älteren Bürgern.

Diese Nichtwahl hilft weder zu einer Legitimation der Gewählten noch gegen die Politikverdrossenheit, insbesondere da die Wähler ein paar Wochen vor der Kommunalwahl zur Stimmabgabe aufgerufen sind, ohne eine echte Wahl zu haben. In allen Belangen kann daher die Einrichtung des Kreisseniorenrates nur als ein Fiasko angesehen werden.

Wenig ermutigende Erfahrungen

Die Hälfte der 22 Städte und Gemeinden des Landkreises hat Seniorenräte oder -beiräte, auch der Kreis selbst. Diese sind gebildet aus Politikern, Vertretern der Verwaltung, der örtlichen Seniorenvereinigungen und der Wohlfahrtspflege wie bspw. in der Stadt Marburg oder aber aus Ehrenamtlichen in den Gemeinden. Manche Seniorenbeiräte haben zusätzlich eine Legitimation, indem sie in Versammlungen von Menschen ab einem bestimmten Alter gewählt werden. Viele der Räte haben den Status eines Verein und manche Büros in den kommunalen Verwaltungen mit Sprechzeiten. Alle arbeiten mit der Altenhilfe ihrer Kommune und der des Kreises zusammen. Einige verlieren ihre Arbeitsfähigkeit nach wenigen Jahren, leben aber ggf. auch wieder auf.

Einen Seniorenrat in parlamentarischer Form, „demokratisch gewählt“, so wie der Kreistag ihn im Juli beschlossen hat, gab es schon einmal in der Stadt Biedenkopf. Auf Initiative der SPD wurde er 2008 gewählt. Wähler ab 60 Jahre hatten aktives und passives Wahlrecht. Von den damals rund 3 900 Wahlberechtigten gaben etwa 630 ihre Stimme ab (16 Prozent). Der Beirat wurde nach nur einer Legislaturperiode mangels Kandidaten wieder eingestellt. Immerhin nun gibt es wieder aus Biedenkopf, wenn sie auch in der Kreiszeitung nicht vorgestellt wurde. Sollte diese eine Vorahnung sein?

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